Eine Tradition, eine Idee, ein Flakon. Es gibt Parfums, die kommen und gehen, sie begeistern für einen kurzen Moment, sie schillern durch viele Worte und Schnickschnack, aber tatsächlich haben nur wenige das Zeug zum ewigen Klassiker. Chanel N° 5 ist eine olfaktorische Legende, es ist die Essenz der Weiblichkeit. Es riecht edel, aber auch verrucht. Es ist luxuriös und gleichzeitig geheimnisvoll. Es ist Coco Chanels erster Duft, kreiert 1921 vom französischen Chemiker und Hofparfumeur am russischen Zarenhof, Ernest Beaux und es ist das erste synthetische Parfum.
Seit fast 100 Jahren erzählt Chanel N° 5 Geschichten, füllt Bücher und Kinosäle. Auch mir bescherte das wohl bekannteste Parfum der Welt eine ganz besondere und unvergessliche Zeit. Letzte Woche erst folgte ich der Einladung aus dem Hause Chanel nach Grasse. Eine sehr kleine und feine Runde durfte bei der alljährigen Mairosenernte hautnah dabei sein. Auf ein paar magische Momente nehme ich euch hier noch einmal mit auf die Felder von Chanel und berichte von der seit 98 irrsinnigen Jahren gleich gebliebenen Herstellung.
Ankommen und durchatmen
Erstmal realisieren, dass ich in wenigen Stunden für einen ganzen Tag lang Teil der Magie werden würde, die man vermutlich nur begreifen kann, wenn man schon bei der Oma als kleines Mädchen N° 5 entdeckte und sich irgendwann mal wünschte, mehr über diesen Flakon, Coco, die Geschichte und überhaupt alles zu erfahren.
Zu Besuch in Grasse, auf den Feldern von Chanel
In aller Herrgottsfrühe ging es für uns dann endlich los. 20 Kilometer von dem Le Mas de Pierre Hôtel in den Hügeln nördlich von Cannes an der französischen Riviera liegt die Parfümstadt Grasse. Weltbekannt für ihre florierende Parfümindustrie. Genau dort befinden sich Blumenfelder der Familie Mul in Grasse. Joseph Mul und sein Schwiegersohn Fabrice bauen in bereits fünfter Generation auf 20 Hektar für das französische Modehaus Chanel Blüten an. Hier befindet sich also der olfaktorische Ursprung, hier entstehen die Schlüsselessenzen des ersten Parfums von Chanel.
Seit den Anfängen bis heute wird der Duft mit den gleichen Inhaltsstoffen hergestellt. Das mediterrane Klima um Grasse ist unerlässlich für die Rosenblüte, denn nämlich erst dann entfaltet sie ihre außergewöhnlichen Aromen, welche zur Herstellung des weltbekanntesten Parfums essentiell sind.
Die Ernte der Mairose und ich mitten drin
Noch bevor sich die Strahlen der Sonne an jenem Tag im Mai über die Felder der Familie Mul ergießen, machen sich 80 fleißige Hände an das Pflücken der empfindlichen Rosenblüten, welche sich erst bei Tageslicht vollkommen öffnen. Seit sechs Uhr morgens sind die Pflücker*innen auf den Feldern unterwegs.
Während wir mit unseren Fahrrädern, bewaffnet mit den schwarz-weißen Gummistiefeln von Chanel und Lederhandschuhen, gemütlich durch die pudrig duftenden Felder düsen, herrscht zwischen den Sträuchern bereits reges Treiben.
Auch die Rosenpflücker*innen tragen Lederhandschuhe, Gummistiefel und eine Schürze.
Geerntet wird 7 Tage die Woche, denn die Zeit drängt. Die Rose, die nur in Grasse seit dem 20. Jahrhundert gezüchtet wird, blüht nur einmal im Jahr. Deswegen muss die Ernte innerhalb von vier Wochen eingebracht werden. Pro Stunde werden pro Person 5 Kilogramm Blüten geerntet, ein Kilogramm enthält 350 Blüten. Eine stolze Menge? Ja.
Mit besonderer Sorgfalt, Präzision und routinierten Handbewegungen füllen die Pflücker*innen die Taschen ihrer Schürzen mit den fragilen Blüten. An diesem Tag wurden zwischen 10.000 und 12.000 Blüten pro Person gepflückt.
Auch nach der Ernte muss alles schnell gehen. Die duftenden Blüten dürfen nicht verwelken und werden sofort nach der Ernte in Jutesäcken gewogen und in der kleinen Manufaktur der Familie Mul am Rande der Rosenfelder weiter verarbeitet.
Die Extraktion & die Entstehung der Schlüsselessenzen
Was dann geschieht ist wie Magie: In einem nie zu Ende scheinenden Strom ergießen sich die taufrischen Blüten der Mairose in einen auf fünf Ebenen unterteilten Extraktionsbehälter, in dem diesen dann in drei Durchgängen durch Zugabe von Lösungsmittel und Hitze das für Chanel N°5 unverzichtbare duftende Geheimnis entlockt wird.
Nach getaner Arbeit werden die müden Blütenblätter kompostiert. Zurück bleibt das “Konkret”. Aus 400 kg Rosenblüten entsteht nun 1 kg Konkret, die sogenannte Wachssubstanz, die durch die Extraktion der Blüten mit Lösungsmitteln gewonnen wurde. Auf Anfrage des Parfümeurs des Maison Chanel wird das Konkret in Absolue verwandelt, die Flüssigkeit, die in die Formel des Parfumextrakts von Chanel N°5 eingeht. Dabei ergibt 1 kg Konkret ca. 600 g Rosen-Absolue. Eine Kostbarkeit durch und durch.
Und was macht eigentlich Chanel N°5 so besonders?
„Seit Jahrzehnten gleicht der Duft von Chanel N°5 einem erotischen Flüstern, das die Gegenwart von Pracht und Sinnlichkeit verheißt“, startet die Kulturwissenschaftlerin Tilar J. Mazzeo das erste Kapitel ihrer Geschichte über das Parfum Chanel N° 5. Ehrlich gesagt besser hätte ich es nicht sagen können. Aber was zum Teufel ist denn nun so besonders an dem bekanntesten und meistverkauftesten Parfum?
Wie schon erwähnt, wird Parfum N° 5 bis heute mit den gleichen Inhaltsstoffen hergestellt. Neben der Mairose findet man Jasmin und viele andere weitere Zutaten, die das Parfum einzigartig machen. Da ich kein Patrick Süßkind bin, zitiere ich lieber Olivier Polge, Parfumeur von Chanel, der in die Fußstapfen seines Vaters Jacques Polge trat:
Die Kopfnote besteht aus Aldehyden, den zitrusartigen Facetten der Bergamotte, Zitrone und Neroli, die Herznote aus Rose, Jasmin, Ylang-Ylang, Basisnoten sind Iris, Vanille, Vetiver.
Unüblich für damalige Zeiten, denn das Chanel N° 5 besteht nicht wie gewöhnlich aus einem einzigen Element, sondern baut auf einer komplexen Komposition auf. Auch das Hinzugeben künstlicher Aldehyde war damals neu.
Ernest Beaux, Designer von Chanel N° 5, gelang es durch eine Überdosis unterschiedlicher Aldehyde, den Vorstellungen von Coco gerecht zu werden. Er schuf die Essenz der Weiblichkeit, ein einzigartiges Bouquet, das sich von allen anderen Düften dieser Zeit abhob.
Es war eine Revolution, eigentlich wie alles, was Gabrielle Chanel kreierte, eines ist nämlich klar: Chanel Parfums werden wie Kleidungsstücke entworfen, zusammengefügt, maßgeschneidert. Sie haben ihren eigenen Schnitt. Sie haben Farben, Texturen und eine Saison und eben deswegen sind sie etwas ganz besonders Kostbares.
Chanel N° 5 & das Update
Fun Fact: alle 30 Sekunden wird auf der Welt ein Chanel N° 5 Parfum verkauft.
Düfte zu beschreiben ist für mich so schwierig, wie eine Ferndiagnose für einen Arzt zu machen: Schwierig. Denn auf der Haut entwickelt sich jeder Duft ganz einzigartig. Das Original ist bekannt für seine zitronig-blumig, pudrige Note – eine Kreation, die alle Extreme vereint. Olivier Polge, die Chanel Nase, verfeinerte Chanel N° 5. Zwar war es seine Aufgabe, das Parfum zu modernisieren, aber gleichzeitig auch, die Formel zu bewahren. Chanel N°5 L’Eau ist frischer, klarer und dynamischer.
„Ich bin eine Couture-Designerin. Ich möchte ein Parfum, das eine Komposition ist, wie ein Kleid.“ Gabrielle Chanel
8 Kommentare
Der Beitrag ist total spannend. Nicht nur weil der Chanel-Duft DAS Parfum schlechthin ist, auch weil man nicht alle Tage mitgenommen wird zur Parfumherstellung. Ich fand es total spannend zu lesen wie Parfum gemacht wird. Wirklich Wahnsinn was alles hinter den Tropfen steckt, die wir uns jeden Tag auf die Haut sprühen.
Liebe Grüße, Milli
(https://www.millilovesfashion.de)
Liebe Milli,
danke dir, ich bin auch total fasziniert von der Produktion und der langjährigen Tradition. Es ist echt schön zu sehn, wie das bekannteste Parfum der Welt eigentlich hergestellt wird.
xx
Elina
Ein toller Bericht über die Herstellung des legendären Parfums. Die Bilder sind auch sehr schön und richtig stimmig.
Liebe Grüße, Maren
http://www.lovelybees.net
Es ist ein sehr nützlicher Artikel. Wirklich vielen Dank.
Liebe Elina,
weißt du, was deinen Blog so besonders macht?Du hast ein ganz besonderes Händchen dafür, Ästhetik zu transportieren. Man liest deine Beiträge hier und ist einfach gefesselt von den Bildern und der Stimmung, die sich perfekt mit dem Inhalt verbinden. Es ist mir jedes Mal auf ein Neues ein Vergnügen, hier auf deinem Blog vorbei zu schauen und einfach zu genießen. Das wollte ich dir einfach mal sagen! Vielen Dank dafür!
Hab einen guten Start in die Woche.
Liebe Grüße,
Sarah
Liebe Sarah,
deine Worte bedeuten mir wirklich sehr viel und ich freu mich wirklich sehr über so ein tolles Kompliment. Ich sitze ja ganz allein im Office und tippe was das Zeug hält, versuche die schönsten Bilder einzufangen und sie passend einzusetzen, wenn mir jemand wie du so viel zurückgibt, dann weiß ich, dass ich alles richtig machen. Das ist einfach der Antrieb für mich.
Liebste Grüße
Elina
Ungemein spannend, wie viele Schritte schon die Grundsubstanzen für ein Parfum durchlaufen müssen! Ich fand aber auch die Duftbeschreibungen sehr interessant, denn ich habe, glaube ich, noch nie am No. 5 gerochen. Zitrisch und hell – klar ist total meine Richtung, blumig-pudrig wirkt auf mich aber zu schnell erdrückend, deshalb habe ich solche Düfte schon lange nicht mehr erschnuppert. Dein Beitrag hat mich aber neugierig gemacht, und ich werd’ mal meine Nase in einen solchen Rosenhauch stecken. Und dabei die Bilder von dir im Rad vor Rosenfeldern im Kopf haben… oder diese Fantasie von großen Balkontüren aus Holz, die sich langsam in der Morgensonne zu den Feldern hin aufgehen, wo die Blüten sich schon den Strahlen entgegegen geöffnet haben, und ihren kostbaren Duft dem Wind mitgeben – der ihn mir entgegenweht. Hach… ich träume mal kurz weiter…
Ich habe das Gefühl bei Chanel ist alles magisch. Der Duft, die Herstellung, mit so viel Liebe und so viel Detail. Es ist faszinierend wieviele Schritte ein so kostbarer Duft durchläuft, ich bin gespannt, wie du ihn findest.
xx
Elina