Normalerweise präsentiere ich euch hier die vollgepackten Badezimmerschränke von Persönlichkeiten aus dem Beauty Kosmos. Menschen, die sich irgendwie, vielleicht auch nur im entferntesten Sinne, beruflich mit dem Thema Schönheit auseinandersetzen. Doch vor wenigen Wochen saß ich bei einer delikaten schale Erdbeere im Park, starrte fasziniert in das Gesicht meiner Freundin Marie-Luise und fragte mich, wie sie es schafft, so verdammt lustig und schön zu sein und warum ihre Locken immer so voller Sprungkraft sind. Dabei hat sie eigentlich immer ein strahlendes Lächeln auf den Lippen. In diesem Jahr verbrachen wir wirklich viel Zeit miteinander und, wie sie es schön sagte: „Unsere Gespräche drehen sich um alles unter der Sonne und dem Mond, aber immer wieder landen wir beim Thema Beauty, das für uns beide vielschichtig ist.“ Dabei ist Marie-Luise Sozialpädagogin in einer psychiatrischen Klinik, die sich der Frühprävention von Psychosen verschrieben hat.
Ein Knochenjob, der viel Kraft zehrt und einen Ausgleich fordert. Manchmal denke ich Marie-Luise ist ein wandelndes Lexikon auch in Sachen Beauty und gerade deswegen will ich sie euch unter keinen Umständen vorenthalten, denn mit einem sagenhaften Gespür für Kosmetik, Mode und Ästhetik ist sie ein perfektes Beispiel für einen Gril-Crush, wenn man das heutzutage überhaupt noch so sagt.
Marie-Luise, sag mal woher kommt deine Leidenschaft für Kosmetik?
In dem Forschungsprojekt der psychiatrischen Klinik unterstütze ich Menschen mit einer psychischen Erkrankung, eine regulär bezahlte Arbeit zu finden, nicht selten bin ich an Kriseninterventionen beteiligt oder führe Assessments der Psychopathologie von Studienteilnehmer*Innen durch. Die Arbeit ist für mich sinnstiftend und ich kann mir keinen anderen Arbeitsplatz vorstellen, aber sie setzt auch ein großes Maß Selbstfürsorge voraus – weshalb ich mich viel mit Ästhetik und Achtsamkeit zum Ausgleich beschäftige. Beautyprodukte und Sport gehören ebenso dazu wie die Auseinandersetzung mit Literatur, Kunst, Kulturgeschichte, Psychoanalyse und Philosophie. Am besten kann ich beim Kochen entspannen und im Winter stricke ich abends Socken. Ich lerne seit über einem Jahr autodidaktisch Italienisch und wäre nicht gerade Corona, säße ich im Veneto oder in der Emilia Romagna auf einer Piazza.
Fangen wir einmal ganz von vorne an: Wie wichtig ist Schönheit für dich? Wie definierst du Schönheit?
Das ist sprachlich gar nicht so leicht einzufangen. Schönheit ist für mich eine Selbsterfahrung, ein sinnlicher Austausch mit der Welt. Etwas löst ganz spontan ein Wohlbefinden in mir aus und dieses Gefühl kann manchmal so intensiv sein, dass vermeintlich die Zeit stehen bleibt, mir ganz warm wird und ich absolut im Moment bin. Diese Erfahrungen können einzelne oder alle Sinne gleichzeitig aktivieren: ein Duft, ein Schattenspiel, ein Spaziergang, eine Berührung, eine Begegnung. Wann genau ich einen Menschen schön finde, weiß ich gar nicht so genau, aber ich mag es, wenn es in einem Gesicht Eigenheiten und immer wieder Neues, z.B. eine spezifische Mimik zu entdecken gibt. Aber ich lasse mich auch durch Symmetrien beeindrucken.
Verrätst du uns drei random Beauty-Facts über dich?
- Neulich habe ich mir pH-Wert-Teststreifen gekauft, um meine Pflegeprodukte besser aussortieren zu können.
- Selbst bei Minusgraden benutze ich jeden Tag Sonnenschutzcreme, mindestens SPF 30.
- Das erste dekorative Kosmetikutensil, das ich mir mit 13 von meinem Taschengeld gekauft habe, war ein türkisfarbener Eyeliner.
Ich weiß, dass Du Skincare durch und durch Fan bist. Was sagst du, welches Beauty-Produkt ist so unnötig wie Ohrenschmerzen?
Produkte mit Mikroplastik und Nonsensinhaltsstoffen wie Goldstaub und Kaviar, All-In-One-Produkte, die Soforthilfe versprechen und intensiv parfümiert sind.
Wie wählst du Produkte aus, die bei dir im Bad landen? Welche Eigenschaften müssen die Brands und Schönheitshelden mitbringen?
Routinen sind mir heilig, weshalb ich auch meinen Produkten treu bleibe, so lange sie für mich gut funktionieren, bin nicht wirklich experimentierfreudig. Wenn ich etwas Neues ausprobiere, dann wegen des Gesamtkonzepts, etwa wenn Produkte vegan sind, wenige, aber wirksame Inhaltsstoffe haben, die sinnvoll komponiert sind, nachhaltig z.B. in Glas oder Papier verpackt, aus Bambus, wie meine Zahnbürste, und wiederverwendbar, wie waschbare Abschminkpads oder der Period Cup sind. Ich könnte es auf diese Formel bringen: Je weniger Unnützes drin und dran ist, desto eher bin ich interessiert. Ich bin ein sehr großer Fan von The Ordinary und finde z.B. FIVE sehr spannend, eine Brand aus der Schweiz: maximal fünf statt durchschnittlich 30 Inhaltsstoffe, 100% natürlich, kein Alkohol, alles transparent deklariert und vegan.
Du hast mit Sicherheit einige Schätze in deinem Kosmetikschrank. Was ist dein teuerstes Produkt im Schrank?
Meine guilty pleasures sind Parfums und Eau de Toilettes. Im Sommer trage ich Guerlain Aqua Allegoria Herba Fresca, das duftet wie ein Sonnenaufgang auf einer frisch gemähten Wiese mit einem Hauch Honig und kostet ca. 80,-€ für 75 ml. Im Winter trage ich von Hêrmes 24 Faubourg – ich liebe Bergamotte und Sandelholz – und kaufe mir den Duft immer wieder, seit ich 19 bin. 50 ml schlagen mit ca. 110,-€ zu Buche.
Konventionelle Kosmetik oder Green Beauty?
Seit etwa zehn Jahren achte ich vermehrt darauf, dass meine Beautyprodukte möglichst vegan und natürlichen Ursprungs sind. Ich denke nicht, dass künstlich synthetischen Produkten grundsätzlich zu misstrauen ist, aber konventionelle Produkte indizieren oftmals nur vage, was in ihnen steckt, sie sind viel zu intensiv parfümiert und Nachhaltigkeit spielt eher keine Rolle. Ich frische sogar meine Chemiekenntnisse sukzessive wieder auf, um die INCI zu verstehen – das finde ich problematisch. Green Beauty ist oft viel klarer formuliert und deklariert, obwohl sie natürlich auch nicht automatisch besser ist.
Nachhaltige Produkte werden immer mehr zum Thema. Marken kreieren neue Bio Linien und Organic Brands schießen wie Pilze aus dem Boden. Welche Greenbeauty oder vegane Beauty-Produkte benutzt du?
Durch meine Hair-Stylistin habe ich O-Way entdeckt. Die Brand produziert den Großteil der 100% pflanzlichen Inhaltsstoffe im eigenen biodynamischen Anbau in Italien, importiert den Rest fair und hat im hauseigenen Labor super innovative Formeln entwickelt, weshalb die Produkte hinsichtlich der Performance locker mit denen etablierter Marken mithalten können. Völlig umgehauen hat mich, dass Nachhaltigkeit bis in die Verpackung konsequent gedacht wird: Die Produkte werden in Glasflaschen verkauft, die ich in meinem Salon einfach immer wieder auffüllen lassen kann. Mehr Kreislauf geht nicht.
Ich weiß, du bist mindestens genauso Beauty-affin, wie ich. Wie sieht deine Morgenroutine aus? Wie bekommst du so einen tollen Glow hin?
Direkt vor dem Badezimmerspiegel geht es bei mir am Morgen eher unspektakulär ab. Heilig sind mir stattdessen vorher mein Schlaf, ein großes Glas Wasser direkt nach dem Aufwachen und anschließend zieht es mich entweder in meine Laufschuhe oder auf die Yogamatte. Morgens wasche ich mir mein Gesicht nur mit Wasser und tupfe es mit einem Stofftuch ab, massiere Hyaluron in meine Haut und das Caffeine Solution 5% + EGCG Augenserum unter meine Augen, abschließend benutze ich den Natural Moisturizing Factors + HA, an kälteren Tagen gebe ich etwas Öl (z.B. Sanddorn) dazu und jeden (!) Tag schließe ich die Routine mit Sonnenschutz ab.
Und wie sieht es denn im Bereich dekorative Kosmetik aus?
Es schlagen hier zwei Herzen in meiner Brust. Für Partys liebe ich es, so richtig dick aufzutragen: reich pigmentierten, matt-orange roten Lippenstift oder aufwendige Cat-Eye-Looks und Highlighter. Ich habe eine Schwäche für Paletten und manchmal probiere ich einfach ohne Anlass ein bisschen rum. Im Alltag benutze ich Make-up eher dezent. Mit Foundation kann ich gar nichts anfangen, weil ich darunter immer das Gefühl habe, zu ersticken. Daher bescheide ich mich mit dem Wake-up von Sante Concealer auf den inneren Augenwinkeln, Transparentpuder von Dr. Hauschka auf der T-Zone und Volume Mascara von Dr. Hauschka. Da ich einen sehr hellen Teint habe, bronze ich mein Gesicht mit einem helleren Mosaikpuder von Avene Couvrance; während einer Arbeitswoche konturiere ich damit auch meine Lidfalte. Auf den Lippen trage ich gern einen pflegenden Liptint, zum Beispiel Alverde, Cherry, den ich auch ohne Spiegel zur Hand an hektischen Tagen in aller Eile nachziehen kann, ohne dass was daneben geht.
Wie beendest du den Tag?
Direkt nachdem ich zu Hause angekommen bin, reinige ich mein Gesicht von Make-up-Resten und Schmutz mit Squalan & Cleanser, um meine Haut aufatmen zu lassen, anschließend massiere ich ein pflegendes Serum in meine Haut und trage einen Moisturizer auf. Abends schalte ich meistens ab neun Uhr den Router und mein Smartphone aus, stelle meinen Wecker, entspanne noch bei einem Spaziergang am Kanalufer oder einer sanften Yogapraxis und nach ein paar Seiten Lektüre sinke ich meist in tiefen, tiefen Schlaf.
Jetzt raus mit der Sprache, wie pflegt man Locken, damit sie so schön bouncy und glänzend sind? Was ist dein Geheimnis?
Zu meinem Abi habe ich mir die Haare schneiden lassen wie Jean Seberg in À bout de souffle und hatte seither Kurzhaarfrisuren. Jetzt, mit fast 40, will ich es nochmal wissen und lasse meine Haare wieder wachsen. Meine Enttäuschung war groß, als von meiner einstigen Teenie-Lockenpracht nur ein schlaffer Schatten wieder auftauchte. Zugegebenermaßen habe ich meine Haare in der Zwischenzeit mit häufigem Colorieren, Glätteisen und Stylingprodukten nicht gut behandelt. Bei Recherchen bin ich dann auf die viel gepriesene Curly Hair Methode gestoßen und war verzweifelt genug, um sie konsequent auszuprobieren. Ich wende die Methode inzwischen modifiziert an und sehe an CHM einiges kritisch, auch wenn ich mich, durch sie angeregt, mal intensiver mit meinen Wellen beschäftigt habe. Das genauer auszuführen würde an dieser Stelle aber zu weit führen… Im Kern bedeutet CHM Verzicht auf jede thermische und chemische Behandlung, auf Reibung, Silikone und Parabene. Das Ziel ist, Feuchtigkeit in die Haare zu befördern und darin zu halten. Deshalb wasche ich meine Haare höchstens dreimal wöchentlich mit dem mildem Smoothing Hair Bath von O-Way, feuchtigkeitsspendendem Conditioner auch von der neuen Marke, arbeite ein leichtes Smoothing-Serie Leave-In-Fluid ein, kämme meine Haare ausschließlich im nassen Zustand, wickle für 10 Minuten ein Microfaserhandtuch turbanartig um meinen Kopf, knete anschließend ein Lockengel ein von Maria Nila und lasse meine Haare immer an der Luft trocknen. Meine härteste Prüfung liegt jetzt noch vor mir: Ich habe mir vorgenommen, ganz CHM-konform, meine Haare nicht mehr zu colorieren, denn obwohl ich aktuell ganz zufrieden bin, sehe ich an meinem spiegelglänzenden Ansatz, dass meine Längen viel trockener sind, als sie eigentlich sein müssten.
Du bist auch gerne auf der Welt unterwegs, welche 5 Produkte müssen bei einer Reise immer in deinem Kulturbeutel sein?
Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Sonnenschutz! Ansonsten fülle ich Moisturizer und Conditioner in wiederverwendbare Reisetuben und -tiegel ab und vergesse auf keinen Fall ein Gesichtsöl. Für Reisen finde ich außerdem Seren in Glasampullen sehr praktisch und hygienisch.
Ich persönlich sehe das Thema Schönheit sehr holistisch. Achtsam mit sich sein, gehört für mich genauso dazu, wie eine gute Tagespflege. Wie sind deine Gedanken zum non toxic Lifestyle? Hast du ein paar Tipps?
Für mich sind ausreichend Schlaf, Entspannung, ausgewogene Ernährung, und Bewegung sogar viel bedeutsamer als die Investition in kostspielige Kosmetikprodukte. Dazu gehört für mich aber auch, nicht alles verbissen zu sehen und mir auch regelmäßig ein Stück Torte und ein Glas Crémant zu gönnen – es geht mir um entspannte Balance, nicht ums Abstrafen und Genussfeindlichkeit.
Mein Alltag folgt allein schon deshalb einer festen Routine, weil ich in Vollzeit in einem psychiatrischen Krankenhaus arbeite – das kann hektisch, fordernd und emotional belastend sein. Als Ausgleich achte ich auf Zeit ganz und gar für mich. Daher stehe ich schon um 05:00 Uhr auf, komme aber immer auf acht Stunden Schlaf. Ich bin einigermaßen sportlich, jogge mehrmals wöchentlich, übe Yoga und trainiere in einem Verein Kung Fu und Taijiquan. Statt mich in den ÖPNV zu zwängen, laufe ich die drei Kilometer zur Arbeit und wieder zurück zu Fuß. Das hilft mir, meinen Kopf frei zu bekommen, Zeit für meine Lieblingspodcasts oder Hörbücher zu haben und mal andere Wege zu gehen und Neues zu erkunden.
Ohne meinen Haferbrei gehe ich morgens nicht aus dem Haus und überhaupt versuche ich mich pflanzenbasiert und ballaststoffreich zu ernähren und koche täglich selbst, auch wenn es nur schlichte Rezepte (z.B. Zucchinisuppe oder Hummus mit Karotten) sind. Dabei achte ich auf Ausgewogenheit der Makronährstoffe, verzichte auf Zucker und verarbeitete Kohlenhydrate. Ich mochte noch nie Softdrinks, sondern trinke Kräutertees oder Wasser. Wenn ich abends Appetit auf was Süßes habe, werfe ich statt Weingummi z.B. Mangowürfel und geröstete Haselnusskerne oder gefrorene Sauerkirschen in die Snackschüssel.
Was für mich auch sehr gut funktioniert ist digital detox, also der phasenweise Verzicht auf‘s Internet. So schalte ich abends ab 21:00 das WLAN ab und mein Smartphone in den Flugmodus und lese stattdessen, gehe spazieren, kümmere mich um meine Pflanzen oder spiele mit meinem Freund Brettspiele. Ich liebe das Internet und Memes und Videos von Hundewelpen, kann mich aber nicht gut konzentrieren und habe Schlafprobleme, wenn das im Dauerbetrieb läuft.
And last but not least, verrätst du uns deine günstigste und beste Beauty-Errungenschaft?
100% L-Ascorbic Acid Powder von The Ordinary für 5,80€. Das benutze ich nur sehr sparsam und höchstens einmal wöchentlich, weil es so potent ist und freue mich dann über einen leuchtenden, ausgeglichenen Teint.
Liebe Marie-Luise, danke für deine Zeit, den Tee und alle die großartigen Inspirationen.
2 Kommentare
Liebe Elina,
ich glaube, ich habe es schon einmal erwähnt- ich liebe deine Interviews hier auf dem Blog. Es fallen immer inspirierende Sätze und es macht einfach Spaß, an fremder Menschens Gedanken zum Thema “Beauty” teilhaben zu dürfen. Vielen Dank dafür und liebe unbekannte Grüße auch an deine Freundin Marie -Luise – sie macht einen sehr sympathischen Eindruck!
Habe ein schönes Wochenende, Sarah
Liebe Sarah,
das freut mich wirklich sehr und ich glaube auch Marie -Luise wird sich über deine Nachricht freuen.
Schön, dass ich hier inspirierende Menschen und ihre Beauty Routinen vorstellen darf.
Liebste Grüße
Elina